Bemerkenswert

Bloggigkeitserklärung – Über diesen Blog

Dieser Blog dient in erster Linie dazu, meine Anregungen und Inspirationen zu vereinen. Ob es Kunst, Fotos oder Kurzgeschichten (ich bin leidenschaftlicher Slam-Poet!) sind, alles wird auf diesem Blog stattfinden und aus meiner eigenen Hand stammen. Ich bin Gordon Daniely, ein freischaffender Hobby-Künstler, mit einem Hang zum Poetry Slam. Und wie ich in einem anderen Beitrag schon gesagt habe, die Welt liegt vor uns, und wir beginnen hier. Also, seid gespannt auf meine Beiträge!

Ich bin auch auf Twitter, wo ich aktiver schreibe.

Außerdem stehe ich für längere Korrespondenzen gern zur Verfügung unter gordondaniely @ gmail . com. Ich freue mich auf Euch!

Visionen

Visionen

Modern Computing

„Visionen“, setzte er an, „Visionen nennen Leute ihre Ideen, wenn sie noch nicht ganz überzeugt sind, ob sie etwas taugen. Die meisten Visionen werden verworfen.“

Ich hatte mir etwas mehr von ihm, dem profilierten Schriftsteller, erhofft. Aber er war zu verbittert. Wie konnte es anders sein, in einer Gesellschaft, die keinen Wert mehr auf geistiges Eigentum legt?

„Heutzutage brauchst du zum Schreiben keine Visionen mehr. Was viel mehr zählt, ist eine gute Beobachtungsgabe und ein Talent dafür, es so aufzuschreiben, dass die Leute denken, sie hätten einen Mehrwert davon. Es gibt einfach schon zu viele gute Ideen auf dieser Welt. Aber die Welt ist zu verrückt geworden, und jetzt reicht es, wenn wir Aspekte beleuchten, zum Beispiel himmelschreiende Ungerechtigkeiten, die es verdienen, dass man darauf aufmerksam macht, oder das Leben berühmter Leute, und krasse Diebstähle oder so. Der Schlüssel sind eigentlich immer deine Charaktere in den Geschichten. Gestalte sie menschlich…

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man kennt sich nicht.

man kennt sich nicht.

Es war so eine hässliche alte Shopping Mall in einem trostlosen Vorort aus den 1970er Jahren, deren hinterste Ecken für unbesonnene Personen zur Todesfalle werden konnten, denn dort wohnten Penner, Räuber, Dealer und Schlimmeres. Nicht viele Läden hielten sich lange dort, schon gar keine privat geführten, bis auf einen einzigen Laden, der so ziemlich alles recht billig verkaufte. Der Besitzer des Ladens stand selbst hinter der Theke, und wenn sich mal jemand außer seinen Stammkunden in den Laden verirrte, bemühte er sich nicht darum, sie als neue Kunden zu gewinnen, sondern stand einfach hinter der Theke, reglos, und wartete bis man ihn ansprach. Sein Gesichtsausdruck war beinahe apathisch zu nennen: Die Augen hatte er fast geschlossen, Leute, die ihn nicht kannten, konnten bald zu der Überzeugung kommen, er schlafwandele. Tatsächlich sah er durch seine Augenschlitze aber alles Nötige. Sein Körper war nicht sehr sportlich gebaut, woher denn auch, er stand ja die ganze Zeit hinter der Theke. Ob er Familie hatte oder nicht, wusste ich nicht mal, obwohl ich schon seit fast sieben Jahren bei ihm meine Zigaretten holte, da ich arbeitsbedingt in der Gegend zu tun hatte. Wir hatten in all diesen Jahren kein Ritual entwickelt, keinen Dauergag aufgebaut, ich nahm mir einfach immer die Zigaretten, ging damit zur Theke, er sagte jedes Mal den Preis, und ich bezahlte. In den ersten zwei Jahren versuchte ich noch, nett zu sein und passend zu zahlen oder wenigstens keine allzu großen Scheine über die Theke zu reichen, aber da ich irgendwann das Gefühl hatte, es bedeute ihm überhaupt nichts, hatte ich es wieder aufgegeben und zahlte auch mit größeren Scheinen. Ich vermutete seinen eigenen Namen auf der Leuchtschrift, die so über dem Eingang des Ladens hing, wie es vielleicht Anfang der 90er Mode war. Da stand „Mike‘s Shop“. Mike kannte meinen eigenen Namen nicht, er fragte auch nie danach, und ich hatte mich einfach nie vorgestellt, anfangs noch in der Annahme, ich wäre nicht so oft dort und würde ein anonymer Kunde bleiben, danach fand ich es einfach nur komisch, ihm dann mal so nach zwei Jahren zu sagen, „Ich bin übrigens soundso.“ Ich denke, er hat mich von Anfang an verstanden. Ich war zuerst nicht an ihm als Person interessiert, später machte ich einfach so weiter, weil ich zu stolz war, um meine Verhaltensweise ihm gegenüber zu verändern. Also verhielt er sich genauso wie ich, aber nicht weil er dumm war oder es nicht besser konnte, sondern weil er erkannte wie ich fühlte, und dass für mich alles andere zu schwierig war. Rückblickend war das wahrscheinlich der netteste und authentischste Verkäufer, dem ich je begegnet bin. Solche Ladenbesitzer sind nämlich sehr weise und besitzen meist durch die jahrelange Erfahrung, ein sozialer Treffpunkt zu sein, eine tiefe Menschenkenntnis.


© Gordon Daniely, Juli/August 2017.

Das Beitragsbild zeigt das Einkaufszentrum Jenfeld in Hamburg an einem grauen Tag, 2010.

4. Entwurf einer virtuellen Persönlichkeit – Gordon Daniely

4. Entwurf einer virtuellen Persönlichkeit – Gordon Daniely

True story. Ich bin ein geistiges Produkt von Richard Aude.

Modern Computing

Die Inspiration für meinen praktischen Teil, der an meiner Schule als obligatorischer Teil meiner Jahresarbeit verlangt war, bekam ich durch meine Recherche für Twitter im dritten Kapitel meiner Jahresarbeit. Ich habe im dritten Kapitel schon die Aktion von Kevin Ashton geschildert, der eine virtuelle Person erschuf, die es „in real life“ gar nicht gab. Dazu erstellte er 2013 eine Webseite, einen Twitter-Account mit 90.000 Followern und einen Artikel in der englischsprachigen Wikipedia, der allerdings nach der Veröffentlichung seiner Story gelöscht wurde.

Im praktischen Teil wollte ich daher Kevin Ashtons Experiment nachstellen und eine glaubhaft erscheinende virtuelle Persönlichkeit erschaffen, weil ich glaubte, es sei nicht möglich, im heute in dieser Form vorhandenen Internet herausfinden zu können, ob eine Person überhaupt existent ist, wenn man sich nur die Online-Präsenz anschaut (oder ob nicht jemand völlig anderes dahinter steckt).

Um Glaubwürdigkeit zu erreichen war mein Hauptziel, einen Artikel in der Wikipedia über meine…

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Born On The Grounds Of Two Dictatorships

Born On The Grounds Of Two Dictatorships

Leitkultur.

Darauf stolz bin ich nicht.

Bewältigungskultur.

Darauf schon.

Auch wenn ich mich persönlich

gar nicht verantwortlich fühle,

ist es doch etwas völlig Einzigartiges

auf der Welt. Erinnern an die Schande

und das grausame Leid,

dann das andere Leid

und die gebaute und gefallene Schande.

Sind wir jetzt frei?

Nein, aber das ist keiner von uns

und jedes freie Land

soll sich mal die eigene Geschichte angucken.

 


Von hier ist das Beitragsbild.

Bad Publicity

Bad Publicity

In der Nähe der Mercedes-Benz-Arena war es am Abend zu einer Explosion gekommen. Obwohl ich zum Zeitpunkt der Detonation in der Arena war, bekam ich von der ganzen Sache erst über Twitter etwas mit, beziehungsweise von den ganzen Leuten, die mir schrieben und fragten, ob bei mir alles in Ordnung sei.

Aber ja, antwortete ich.

Die Leute sagten, ich solle mal gucken, was bei Twitter los sei. Dort waren in den Trends die Wörter „Explosion“, „Arena“ und „Berlin“ ziemlich weit oben, erste Eilmeldungen von der Berliner Polizei wiesen darauf hin, dass es wohl in unmittelbarer Nähe der Mercedes-Benz-Arena zu einer Explosion gekommen sei. Die Leute sollten zu Hause bleiben.

Keine Panik, dachte ich. In der Arena selbst dürfte so ziemlich der sicherste Ort sein.

Ich erinnerte mich an die massiven Sicherheitskontrollen vor dem Konzert. Da wurde jemand extra aus dem allgemeinen Zuschauerstrom herausgezerrt, weil er einen Bart hatte und arabisch aussah.

Wie rassistisch und fremdenfeindlich, dachte ich, und einige andere sagten das auch.

Das Sicherheitspersonal blieb aber gelassen und vermittelte einen souveränen Eindruck von knallharten Typen, die wussten, wie sie ihre Arbeit machten.

Acht Tote, schrieb Spiegel Online, mit Berufung auf einen Sprecher vor Ort. Ein Täter sei wohl mit einem Auto in die Absperrungen, die anlässlich des Konzerts aufgestellt worden waren gerast, habe eine Bombe im Auto gezündet und dabei sowohl sich selbst, wie auch einen Ordner, zwei Sicherheitsleute und fünf Besucher getötet. Es würde nach Komplizen gesucht.

Das wird sich hoffentlich nachher alles wieder beruhigt haben, dachte ich.

Die Mehrheit der Zuschauer war sich ihrer besonderen Lage wohl noch nicht bewusst und gab sich nach wie vor der Musik hin. Als das Konzert zu Ende war, ging es aber richtig los. Alle hingen an ihren Apparaten, telefonierten, verschickten Sprachnachrichten auf Whatsapp, snappten – auf Twitter hatte sich währenddessen ein ganz eigener Konsens entwickelt, von Leuten, die meinten, Merkel sei Schuld. Einige meinten das ernst, andere sagten genau das Gleiche, meinten es aber gar nicht so. Einige fremdenfeindliche und islamophobe Idioten behaupteten, dass grüne Politiker von dem Anschlag im Voraus gewusst hätten. Andere twitterten sofort, sie würden sich schon auf die rassistischen, fremdenfeindlichen und islamophoben Tweets unter dem Hashtag #mbenzarena freuen, wieder andere behaupteten, ihre Gedanken seien in Berlin bei den Opfern und ihren Angehörigen.

Das alles half mir recht wenig.

Die erhöhte Polizeipräsenz vor der Arena verunsicherte die Leute zusehends. Bald hatte keiner mehr die Musik in den Ohren, sondern blickte ängstlich umher und beeilte sich, nach Hause zu kommen. Der Shuttle-Bus zum Hauptbahnhof war sehr überfüllt, aber niemand war in Feierlaune, die entsetzten Gesichter spiegelten sich in den dunklen Fensterscheiben. Niemand war laut, alles sprach in gedämpftem Ton, tippte, schwieg.

Über den Hintergrund der Tat wurde immer noch spekuliert. Dass es ein Selbstmordattentäter war, würde ja auf einen islamistischen Hintergrund hinweisen, meinten die ernsthaft islamophoben Idioten unter #mbenzarena auf Twitter. Die Polizei ging vorerst nur allgemein von einem terroristischen Hintergrund der Tat aus. Ein Tweet von @MercedesBenz, der den Angehörigen der Opfer tiefstes Beileid versicherte, war unter #mbenzarena zum Toptweet avanciert.

Wie viel Sympathie sich Mercedes-Benz damit jetzt wohl sichert, dachte ich.

Das Profil der konzertgebenden Band wies keine neuen Tweets auf, ihr letzter Tweet war von vor einigen Stunden und beinhaltete einen Teaser für das eben stattgefundene Konzert. Über die Band wurde auch gar nicht diskutiert, es ging eigentlich nur um Mercedes-Benz und um irgendwelche Updates der Polizei und um Eilmeldungen sämtlicher Liveticker der Online-Medien. Einige Politiker hatten ebenfalls schon ihr Beileid verkündet. Der US-Präsident hatte den Vorfall auf Twitter bereits als „terrible“ bezeichnet, aber nicht ohne den Anschlag in Zusammenhang mit den Anschlägen der vergangenen Monate in Europa zu bringen und zu bemerken, Europa, besonders Deutschland, sei viel unsicherer geworden.

Die eigentliche Wendung kam erst ein paar Tage später, als ein Mercedes-Benz-Insider berichtete, der Anschlag sei von Mercedes-Benz aus Publicity-Gründen geplant worden. Viele waren eher skeptisch gegenüber dieser These, auch weil sie von Mercedes-Benz sofort dementiert wurde. Nichtsdestotrotz hatte Mercedes-Benz durch die ganze Sache etwas mehr an virtuellem Einfluss bekommen, in Form von Traffic, Followern und so weiter.

Vielleicht, dachte ich, vielleicht war das ja wirklich nur eine grausame PR-Aktion.

Jedenfalls verschaffte die Sache Mercedes-Benz ungeheuer viel Aufmerksamkeit, ohne in erster Linie einen konkreten Nachteil für die Firma darzustellen. Wie viele potenzielle Käufer durch das Lesen von Schlagzeilen unterbewusst beeinflusst wurden, ließ sich sehr schwer feststellen, aber bestimmt waren es einige. Dies wäre allerdings eine völlig neue, revolutionäre Dimension, die die Werbung in unserem Leben einnehmen würde. Tödliche Werbung. Noch echter. Noch wirkungsvoller. Die Zivilisation frisst ihre Kinder.

Ein Bericht der Polizei förderte jedoch nichts Neues zu Tage – die Identität des Täters war als eindeutig Deutsch bestimmt worden, extremistische oder terroristische Verbindungen gab es keine. Das Tatauto sei übrigens von der Konkurrenz gewesen – BMW.


Das Beitragsbild ist von hier. Die Rollenverteilung erfolgte in diesem Text rein zufällig – Mercedes-Benz ist genauso gut wie BMW oder jede andere Automarke und genauso gut wie der Islam oder jede andere Religion.

Es gibt so viele böse Dinge

Es gibt so viele böse Dinge

Der folgende Text dient als eine Art Neuinterpretation des Konzepts `Copypasta´, mit dem Unterschied, dass dieser Text aus keiner anonymen Quelle entstanden ist, sondern von einer realen Person im Jahr 1899 veröffentlicht wurde. Der Ausgangstext ist somit heute gemeinfrei zugänglich. Meine Intention dabei ist, den Text in einen neuen Rahmen und anderen Kontext zu packen, die da wären: Bildung und Internet. Es ist möglich, sich auch mit extrem schlimmen, widerwärtigen, ekligen und grausamen Informationen zu befassen, und der folgende Text ist sehr eklig, widerwärtig und enthält teilweise grausame Gedanken. Das Internet ist für solche Informationen ein hervorragendes Biotop, wo wir doch heute ständig hören, was für ein schrecklicher Ort das Internet geworden ist…

Hey, du neuer Leser, sei nicht abgeschreckt, es besteht kein Lesezwang, aber es ist ein sehr bedeutsames und ausdrucksstarkes Werk und soll angeblich Kafka für sein Werk „In der Strafkolonie“ inspiriert haben. Der Trick dabei ist, trotz des Ekels den sachlichen Blickwinkel nicht zu verlieren (diesen beobachtenden Blickwinkel; was macht den Text so bedeutsam? Auch in anderen Online-Situationen gilt es, kühlen Kopf zu bewahren, nach dem Textauszug von mir mehr dazu)…

Übrigens findet man sowohl „Mirbeau“ als auch „Mirabeau“ als Namensangaben im Internet, verzeiht mir die Unwissenheit!

Achtung, explizite Sprache!

Octave Mirabeau: Der Garten der Qualen

„Und von dieser entzückenden Flora hoben sich Schaffote, Kreuzigungsbalken, Galgen, die in schreienden Farben gemalt waren, schwarze Schandsäulen, an deren Gipfel scheußliche Dämonenmasken grinsten, hohe Pranger für die einfache Erwürgung, niedrigere kunstvoll eingerichtete Galgen zur Zerstückelung der Leiber. Auf dem Gestell dieser Qualsäulen befand sich ein Blüthenmeer von Ipomeen und Daurien, von Lophospermen, von Coloquinten, die mit teuflischem Raffinement zwischen Clematiten und Atragenen an gebracht waren … Und die Vögel sangen hier ihre Liebeslieder.

Am Fuße eines dieser Galgen, dessen Umgebung gleich einer Gartenterrasse mit Blumen bepflanzt war, saß ein Henker, sein Besteck von Marterwerkzeugen zwischen den Beinen, und reinigte seine Stahlinstrumente mit Seidenfetzen; sein Kleid war mit geronnenem Blut befleckt, die Hände schienen förmlich rothe Handschuhe zu tragen. Rund um ihn schwirrten und summten, ganz wie um ein Aas, Fliegenschwärme … Aber in dieser Umgebung von Blumen und Wohlgerüchen war das weder widerwärtig noch schrecklich. Man hätte sagen können, daß auf sein Kleid ein Regen von Blüthen von dem benachbarten Quittenbaum niedergegangen sei. Übrigens hatte er einen friedlichen, faulen Bauch. Sein Gesicht drückte in dem ruhigen Zustande, in dem er sich befand, freundliche Ehrbarkeit, sogar Jovialität aus, die Jovialität eines Chirurgen, der eine schwierige Operation glücklich ausgeführt hat. Als wir dicht an ihm vorüberkamen, blickte er auf und grüßte uns höflich.

Clara redete ihn in englischer Sprache an.

– Es ist zu bedauern, daß Sie nicht vor einer Stunde gekommen sind, sagte der gute Mann, da hätten Sie einen sehr schönen Vorgang zu sehen bekommen, den man nicht alle Tage vor Augen hat … Eine außergewöhnliche Leistung, Mylady! … Ich habe einen Menschen umgestaltet vom Kopf bis zum Fuße … nachdem ich ihm die ganze Haut vom Leibe gezogen hatte … Er war so schlecht gebaut … Hahaha! …

Sein Bauch, der von dem Lachen geschüttelt wurde, schwoll an und leerte sich wieder mit einem dumpfen Geräusch von Blähungen. Ein nervöses Zucken verzog ihm die Mundwinkel bis zum Wangenbein, gleichzeitig wurden durch dieselbe Bewegung die Augenlider herabgezogen bis zu den Lippen, fast zwischen die dicken Falten der Haut. Es war eine Grimasse – eine Summe von Grimassen – die seinem Gesicht einen Ausdruck komischer und gespenstischer Grausamkeit gaben. Clara fragte:

– Also war er es ohne Zweifel, dem wir, soeben begegneten?

– Ach! Sie sind ihm begegnet? rief der gute Kerl geschmeichelt … Na also! Was sagen Sie dazu? …

– Es war schauderhaft! rief Clara mit ruhiger Stimme, die dem Abscheu ihrer Äußerung widersprach.

Darauf setzte der Henker uns auseinander:

– Es war nur ein elendiglicher Kuli des Hafens … ein Nichts, Mylady … Sicherlich verdiente er nicht die Ehre, die man ihm mit einer so schönen Arbeit anthut … Er hatte einen Sack Reis, glaube ich, Engländern gestohlen … unsern lieben guten Freunden, den Engländern … Als ich ihm die Haut vom Leibe gezogen hatte und sie nur noch durch zwei kleine Knöpfchen an den Schultern festgehalten wurde, zwang ich ihn einige Schritte zu machen. Mylady! … Hahaha! … Das war wirklich eine vorzügliche Idee! … Man konnte sich vor Lachen bei dem Anblick krümmen … Es war, als ob er auf dem Leibe … wie nennen Sie doch dieses Ding? … ach ja richtig … einen Mac-Ferlan trüge … Nie war er so schön bekleidet gewesen, der Hund, noch durch einen kunstverständigeren Schneider … aber seine Knochen waren so hart, daß ich einige Zähne meiner Säge ausgebrochen habe … dieser hübschen, kleinen Säge, die Sie hier sehen.

Ein kleines, weißliches, fettiges Stück Fleisch war zwischen den Zähnen der Säge hängen geblieben … Er schnellte es mit einem Schlage des Fingers nochmals weg, so daß es auf den Rasen mitten unter die Blümlein flog.

– Das war Hirn, Mylady! … rief der lustige Biedermann … Kostbar scheint es gerade nicht zu sein …

Kopfschüttelnd fügte er hinzu:

– Man trifft überhaupt selten etwas Kostbares, denn wir arbeiten fast immer mit niedrigem Volke …

Dann bemerkte er noch mit einem Ausdruck ruhiger Befriedigung:

– Gestern lieferte ich, meiner Treu, eine recht merkwürdige Arbeit … Ich habe aus einem Manne ein Weib gemacht … Hehehe! … Jeder hätte sich bei dem Anblick täuschen können … Und ich habe mich versuchshalber getäuscht … Wenn die Genien es mir gestatten wollen, diese hohe Gnade, daß ich morgen am Richtplatze eine Frau finde, so würde ich daraus einen Mann machen … Das ist schon schwieriger! … Hahaha! …

Bei der Anstrengung eines neuen Lachens zitterten sein dreifaches Kinn, die Falten seines Nackens und der Bauch wie Gelatine; eine einzige rothe, gebogene Linie verband da die linken Mundwinkel mit dem Ende seine geraden Augenwimpern, inmitten von tausend Runzelchen und Narben, durch die in winzigen Streifen Schweiß und Thränen, die er vor Lachen vergoß, herabrannen.

Er steckte die gereinigte Säge, die nun hell leuchtete, in den Kasten und verschloß ihn. Dieses Behältnis war herrlich in wundervollem, lackirtem Holz ausgeführt. Eine der Abbildungen darauf stellte einen Flug von Wildgänsen oberhalb eines nächtlichen Sumpfes, dessen Lotusblumen und Schwertlilien der Mond silbern beleuchtete, dar.

In diesem Augenblick warf der Schatten des Galgens auf den Leib des Henkers einen bläulichen, senkrechten Strich.

– Glauben Sie, Mylady, fuhr der geschwätzige Biedermann fort, unser Beruf verliert gleich unseren schönen Töpfereien, unseren herrlichen Seidenstickereien und unseren schönen Bildern immer mehr … Wir wissen heute fast nicht mehr, was eine wirkliche Qual ist … Obwohl ich mir alle Mühe gebe, die ehrwürdigen Überlieferungen aufrecht zu erhalten, so bin ich trotzdem machtlos und kann doch nicht ganz allein den Niedergang aufhalten. Was soll ich thun? Die Henker werden heutzutage Gott weiß wo rekrutirt, es gibt keine Examen, keinen Wettbewerb mehr … nur Protektion und Begünstigungswesen entscheidet über die Auswahl … Natürlich fällt die Auswahl darnach aus, wie Sie sich denken können. Es ist wirklich eine Schande! Früher betraute man diese bedeutenden Machtbefugnisse nur erklärten Männern der Wissenschaft an, verdienten Leuten, die zur Vollendung die Anatomie des menschlichen Körpers kannten, die Diplome besaßen, Erfahrung oder natürliches Genie. Heute ist das alles zum Teufel gegangen. Der letzte Schuhflicker bildet sich ein, diese ehrwürdige und schwierige Stellung ausfüllen zu können. Es gibt weder Hierarchie noch Überlieferungen mehr! Alles vergeht … Wir leben in einem Zeitraum des Niederganges … Ja, Mylady, es gibt in China eine Art Fäulniß, es ist etwas faul im Staate China …

Er seufzte tief, wies auf seine tiefrothen Hände, dann auf das Behältniß, das am Rasen glänzte, und fuhr fort:

– Dennoch suche ich so gut wie ich kann, mich zu bethätigen und wie Sie sahen, unseren verlorenen Ruhm wieder auf die alte Höhe zu heben. Denn ich bin ein richtiger konservativer, ein national gesinnter Mann, der sich nicht vom rechten Wege abbringen läßt. Mich widern alle diese Machenschaften, alle diese neuen Moden an, die uns unter dem Vorwande der Civilisation von den Europäern und insbesondere von den Engländern herbeigebracht werden. Oh! Ich will den Engländern sonst nichts Schlimmes nachsagen, Mylady, es sind ehrenwerthe Leute, die die höchste Achtung verdienen. Doch muß ich zugestehen, daß ihr Einfluß auf unsere Sitten jammervolle Folgen hatte. Tagtäglich nehmen sie unserem China etwas von seinem außergewöhnlichen Charakter fort … Nur was den Gesichtspunkt der Qualen allein betrifft, Mylady, so haben sie uns bereits unendlich viel geschadet … unendlich viel … Das ist sehr, sehr schade! …

– Sie verstehen sich jedoch auch darauf, unterbrach ihn Clara, die dieser Vorwurf in ihrer Vaterlandsliebe und nationalen Eitelkeit verletzt hatte. Denn es beliebte ihr wohl, sich selbst sehr hart gegen ihre Landsleute, die sie im Grunde verabscheute, auszusprechen, aber sie wollte, daß andere sie durchaus achteten.

Der Henker zuckte die Achseln und kam durch sein nervöses Gesichtszucken dazu, auf seinem Gesichte die bestimmt komischeste Grimasse zu Stande zu bringen, die wohl je auf einem menschlichen Antlitz zu erblicken war; und während wir nur mit großer Mühe einen Ausbruch von Lachen zurückhielten, erklärte er in autoritären Tone:

– Nein, Mylady, darauf verstehen sie sich absolut nicht. In dieser Hinsicht sind sie wirklich zurückgebliebene Wilde … Sehen Sie mal an, zum Beispiel in Indien – und wir wollen nur von Indien sprechen – was für eine grobe, kunstlose Arbeit ist dort geliefert worden! … Und wie thöricht, ja wie thöricht hat man dort mit dem Tode Verschwendung getrieben! …

Er faltete seine blutigen Hände wie zu einem Gebet, hob die Augen gen Himmel und fuhr mit einer Stimme, in der eine ganze Summe von Bedauern und Weinen zu liegen schien, fort:

– Wenn man bedenkt, Mylady, was für bewundernswerthe Leistungen da drüben auszuführen waren, an die man sich gar nicht herangewagt hat und die auch nie geliefert werden können … das ist unverzeihlich …

– Ach was! widersprach Clara, … Sie wissen ja nicht was Sie sagen …

– Die Genien sollen mich zur Hölle tragen, wenn ich lüge! rief der dicke Biedermann aus …

Und mit langsamer Stimme, mit lehrreichen Bewegungen begleitet, fuhr er in seinem Colleg fort:

– Im Punkte der Qualen, wie in jeder anderen Hinsicht sind die Engländer keine Künstler. Alle Fähigkeiten, die nur möglich sind, Mylady, sind ihnen eigen, aber kein Kunstverständniß! … Nein! Dreimal nein! …

– Ach, gehen Sie doch! Sie haben die ganze Menschheit zum Weinen gebracht! …

– Aber sehr schlecht, Mylady, sehr schlecht … berichtete der Henker … Die Kunst besteht nicht nur darin, viel zu töten, zu erwürgen, zu massacriren, niederzumachen, im Block, so massenhaft, mit einem Schlage ein ganzes Menschenmaterial … Nein, wahrhaftig! Das ist zu einfach! … Die Kunst, Mylady, besteht darin, daß man zu töten versteht und zwar nach den Riten der Schönheit, deren göttliches Geheimnis wir Chinesen allein kennen … Zu töten verstehen! … Nichts ist seltener und alles ist darin enthalten … Zu töten verstehen! … Ich will damit sagen, menschliches Fleisch zu bearbeiten, wie ein Bildhauer seinen Thon oder ein Stückchen Elfenbein, daraus die ganze Summe, die ganze Wunderwelt von Leiden herauszuholen, die sich im Grunde seiner Schatten und Geheimnisse verbirgt … Das ist es! … Und dazu ist Wissenschaft, Abwechselung, Eleganz und Erfindungsgeist nöthig, kurz Genie … Aber all das geht heutzutage verloren … Das westliche Geckenthum überfluthet uns, die Panzerschiffe, die Schnellfeuerkanonen, die weittragenden Gewehre, die Elektricität, die Sprengstoffe … was weiß ich?.. Alles das macht den Tod allgemein. Es führt ihn im Verwaltungswege, im Subalterndienst herbei. Kurz, alle die Schmutzereien Eures Fortschrittes verderben nach und nach unsere schönen Überlieferungen aus der Vergangenheit … Nur noch in diesem Garten werden sie schlecht und recht bewahrt, wo wir sie wenigstens einigermaßen am Leben zu erhalten suchen. Aber mit welchen Schwierigkeiten! Wie viel Hindernisse sind zu überwinden! Was für einen ständigen Kampf gibt es! Davon haben Sie keinen Begriff! Leider fühle ich, daß es überhaupt nicht mehr lange gehen wird. Wir sind durch die Mittelmäßigkeit besiegt, der spießbürgerliche Geist triumphirt allenthalben.“

…explizite Sprache zu Ende…

Merkst du es? Da ist diese Blockade, die daraus entsteht, sich das alles lieber gar nicht so genau ausmalen zu wollen, damit der eigene mentale Zustand stabil bleibt. Jedoch ist es meines Erachtens möglich, sich dieser Sache mit einer Art wissenschaftlichem Interesse anzunehmen, ohne dabei den eigenen Emotionen freien Lauf zu lassen, aber auch ohne innerlich zu blockieren. Das ist der mutigste Kompromiss, den man meiner Meinung nach eingehen kann.

Prinzipiell halte ich es für wichtig, jede gewaltsame, grausame oder in irgendeinem Sinne negative oder böse Darstellung zu akzeptieren. Es gibt Tolerieren und es gibt Akzeptieren. Homophobie ist schwer zu akzeptieren, aber toleriert werden sollte sie nicht immer, spätestens dann nicht, wenn sie jemandem schadet. Und auf keinen Fall sollte beispielsweise ein Köpfungsvideo des sogenannten Islamischen Staats toleriert werden, es muss nach befundener Echtheit aber akzeptiert werden können. Ebenso muss Hetze akzeptiert werden, damit dagegen vorgegangen werden kann. Bei Hetzrede besteht das Akzeptieren in nicht viel mehr als im Akt des Registrierens, aber man muss sich zwangsläufig mit deren Inhalt auseinandersetzen, um der Hetze auf faktischer Ebene entgegen zu arbeiten. Behalte das, es ist sehr wichtig.

…für weiterführende Informationen zum Ausgangstext von Mirabeau siehe hier (googlen hilft aber auch).

Titelbild

Ein Sturm aus Scheiße

Ein Sturm aus Scheiße

Deine Äußerung. Zu provokant, zu anspruchsvoll an die Moral des Pöbels, zu sophisticated für die breite Masse. Zu missverständlich. Zu viel Inhalt für eine Beschränkung von 140 Zeichen.

Langsam wird die erste Scheiße losgetreten. Antworten treffen ein, wie z. B. die exponentiell geäußerte Behauptung, man sei nicht im Besitz seines vollen Verstandes, würde hart erarbeitetes Steuergeld verschwenden oder man würde generell minderbemittelt sein. Diese aus der Luft gegriffenen Behauptungen werden gelikt, weiter geteilt und so weiter, bis deine Äußerung größere Aufmerksamkeit erhält. Es entsteht der kollektive Hype, deine Äußerung kacke zu finden.

Um auf den Hypetrain aufzuspringen und aus der Situation möglichst viel Eigenkapital in Form von Likes, Followern und Aufmerksamkeit herauszuheucheln, berichten einige Onlinemagazine über dich. Auch wenn du vorher für sie völlig uninteressant warst oder gar nicht zur Kenntnis genommen wurdest, behandeln sie dich jetzt wie das letzte Stück Scheiße.

Irgendwann berichten die mehr etablierten Medien des Internets über dich. Sie bemühen sich vielleicht, deine Äußerung und die Reaktionen in einem einigermaßen differenzierten Artikel darzustellen. Inzwischen ist die Aufmerksamkeit, die deine Äußerung hervorgerufen hat, riesengroß.

Wenn der Sturm aus Scheiße, diese beschissene Situation, über dich hinweggefegt ist, bist du erstmal wieder sauber. Die Aufmerksamkeitsspanne eines durchschnittlichen Nutzers in Social Media beträgt nach dem ersten großen Aufreger nur wenige Stunden, höchstens 24.

Danach kann es jedoch passieren, dass dein Ruf einen bleibenden Schaden erhalten hat. Eventuell entwickelt sich deine Äußerung zu einem aus seinem ursprünglichen Kontext gerissenen Meme, an dass sich noch für viele Jahre die Satiriker und zurückgebliebene Personen erinnern.

Also lieber den Mund halten, bevor du im Internet eine Äußerung tätigst, wofür du dann noch ewig angekackt wirst. Außer du glaubst, mit deinen Worten tatsächlich etwas verändern zu können. Aber das haben Worte ja so an sich, dass sie, wohl gesetzt, durchaus ein Veränderungspotenzial besitzen.

Vis Viva

“Explain why positive DNA – comparison results do not validate the guilt of the suspect.“

When I first stumbled across this task in an educational book about DNA chemistry, I didn’t realise that the answer had nothing to do with chemistry, but with fairness, ethics, or even morality.

Of course the suspect is not per se guilty after his or her DNA is proven to be the one which was found at the crime scene. It only has been proven that his or her DNA was there.

What this really means is that even the power of an invention has it’s limit, that even the smartest technology (in this case the technologies/inventions are PCR and gel electrophoresis) should be controlled by human beings with a distinct sense of fairness and justice, so they can decide whether this positive results prove the suspect’s guilt.

Well, where I see this supremacy of the human race threatened, is the digital area; algorithms have become supreme, for example in predictive policing, where policemen are sent to suspects before they commit a crime, to warn them that they are under surveillance. There, algorithms choose the suspects, not humans, and predictive policing is in common use, even in Germany. Some people forget that information delivered by technology itself can not prohibit a murder, that information delivered by technology itself can not prove the guilt of a suspect. Humans need to look behind the information technology gives them, they need to distinguish false and correct data.

The world information level, and also the world’s false information level increases rapidly through the years. And as you saw it this summer in Turkey, the revolution will be televised. The ones who control the media and the information about the subject, control the world and the power to say, what is true, what is false.

Therefore, I find it very good that in this educational book about DNA chemistry, the reader gets this little hint, in a sense of Hey, make up your mind, technology and it’s delivered information is not sacrosanct. Move, go outside, see behind walls, draw closer, find each other, and feel.

That is the purpose of life, given into subliminal, by this educational book.

Ein Ende

Wenn sich zwei parallele Linien berühren, ist die Zeit gekommen zu erkennen, dass es zu Ende geht. Die Bügelfalten in der weißen Hose des Arztes, die vorher bis in alle Ewigkeit eine parallele Beziehung gehabt zu haben schienen, treffen nun in einem unbestimmten Winkel aufeinander. Während ich so daliege, erkenne ich dass die Aufmachung dieses Richters zwischen Leben und Tod die Lage seines Patienten widerspiegelt. Mein ganzes Leben wurde von zwei Parallelen bestimmt.

Links, Rechts.

Neugier und Information.

Moral und Rückgrat.

Wahrnehmung und Bedeutung.

Um nur einige zu nennen. Doch jetzt? Die Linien berühren sich, die Matrix meines Lebens verändert sich, ich erkenne, dass ein Kreis keinen Anfang, aber auch kein Ende hat. Diese Erkenntnis verschafft mir eine ungeheure Erleichterung. Ein inneres Lachen und ein inneres Weinen tönen in meinem Kopf und doch auch von irgendwo außen. Ich entspanne mich und schließe meine Augen. Ich sehe schon meinen Körper auf dem Operationstisch liegen, bemerke ein helles Licht, welches mich langsam aber sicher davon schweben lässt-

da fällt mir ein Zitat ein, ein letztes noch:

Der Kreis hatte sich vollendet, denn Lachen und Weinen sind ja erst das ganze Herz des Menschen.

– Grock

Leute!

Leute!

Irre jetzt schon seit gut zehn Minuten in der Wohnung umher und suche mein Smartphone. Es ist aber nicht dieses gestresste Suchen, mit Zeitdruck und dem ganzen Quark, für mich ist es eher so eine spannende Abenteuersuche. Wann hat man in dieser Zeit schon mal das Problem, etwas mit wirklichem Aufwand suchen zu müssen. Und vor allem ist das, was ich jetzt suche, das Werkzeug mit dem ich normalerweise meine Informationen suche. Sehe den Rapper Xzibit vor mir: „Yo,  ich hab gehört du magst Suchen, also lassen wir dich das Ding suchen, mit dem du suchen kannst.“ Ich rufe deshalb das Smartphone auch nicht vom Festnetz an. Komme mir auf einmal furchtbar archaisch vor.

Es gibt erschreckend viele Aufenthaltsorte, die ich meinem Smartphone zutraue: Das Flurregal, die Anrichte im Bad, das Schlüsselbrett, der Schreibtisch, der Küchentisch, das Bett, die Ritzen zwischen den Sofapolstern. Die Hosentasche kommt gar nicht erst in Frage, denn dort tue ich nie mein Smartphone hin. Aus potenziellen Gründen. Ich merke mir nicht genau, welche Plätze ich alle schon kontrolliert habe und drehe mehrere Runden in der Wohnung. Gerade als ich mir ernsthaftere Sorgen mache, bemerke ich, dass ich das Smartphone schon in die Jackentasche getan habe. Ich wollte ja losgehen. Auf den Weihnachtsmarkt. Was für den Nikolaus kaufen. Ziehe die Jacke an, mache den dreifachen Check Handy-Portemonnaie-Schlüssel und verlasse die Wohnung.

Auf dem Weihnachtsmarkt gibt es für mich nicht so richtig überzeugende Angebote, was Süßes angeht. Überall nur Stangenware und lieblos verpackte Massenprodukte. Entschließe mich endlich, ein paar mit Schokolade überzogene Apfelringe zu kaufen. Die Verkaufsbude hängt voll mit Lebkuchenherzen. Diese schlagen dem Verkäufer ins Gesicht, als ich bei ihm bestelle. Er ignoriert die Herzen jedoch und rammt seinen Schädel, so wie es ihm beliebt, mittendurch. Gebe ihm keinen Überschuss. Diese Erscheinung war so unpassend. Die Lebkuchenherzen baumeln an ihren Bändern, da schiebt sich dieser Mann mit weit aufgerissenen, glasigen Augen hindurch, so dass die Bändchen über seine hervorstehenden Wangenknochen streifen und die Herzen sich an seine Wangen schmiegen.

Ich bin ja sonst kein so emotionaler Mensch, aber DAS hat mich dann doch irgendwie fertig gemacht.

Das Beitragsbild stammt übrigens aus eigener Hand.